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Zeitungsartikel
"Augsburger Puppenkiste" macht Furore. Unsere Marionettenbühne findet bei ihrem Gastspiel in Frankfurt begeisterte Aufnahme

Erschienen: 1949
In: Augsburger Tagespost vom 16. Juli 1949
Schlagworte:
Gastspiel in Frankfurt 1949
Gastspiele mit dem ersten Kistendeckel
Heimat im Haus

Volltext:
»Augsburger Puppenkiste« macht Furore
Unsere Marionettenbühne findet bei ihrem Gastspiel in Frankfurt begeisterte Aufnahme
»Augsburger Marionettentheater« steht über dem Portal des ehemaligen Heilig-Geist-Spitals an der Spitalgasse, das so wenig mehr Spital ist wie in der Stadtmetzg noch das Hackbeil des Metzgers geschwungen und Fleisch ausgewogen wird. Wem es in diesen hochsommerlichen Tagen einfallen sollte, dort, wo sonst in theaterfroher Nachbarschaft der Freilichtbühne sich jung und alt gerne vom Zauber der Augsburger Puppenkiste einfangen lassen, anzuklopfen, dem würde  n i c h t  aufgetan. Denn die Puppenkiste ist, wie wir schon kurz mitteilten, samt »Kalif Storch« und »Doktor Faustus«, samt Drachen, Prinzessinnen, Kasperle und dem letzten »Drahtzieher« ausgeflogen. Weil es unsere Marionettenbühne nobel gibt hat sie sich gleich nach Frankfurt, dem gegenwärtigen Regierungssitz von Rumpfdeutschland aufgemacht und sich haarscharf gegenüber einer so weltberühmten Stätte wie der St. Paulskirche niedergelassen.
Mitten im Herzen der Stadt beim leider zerstörten »Römer« in den gewölbten Räumen des alten Ratskellers hat sich die Marionettenbühne in einem des Dr. Faustus würdigen Rahmen gotisch-feierlich eingenistet. Es berührt einen immer eigen, wenn man als Augsburger auf fremdem Boden einer so uraugsburgerischen Angelegenheit wie unserer Puppenbühne begegnet. Aber die anheimelnde Begrüßung mit Meister Oehmichen, der uns mit aufgekrempelten Hemdärmeln entgegentritt, seiner Familie und seinen Helfern und mit all den köstlichen und originellen Puppengestalten, die uns von vielen Augsburger Aufführungen wohl vertraut sind, verscheucht rasch die fremde Atmosphäre. Uns wurde erinnerlich, dass ein gewisser Johann Wolfgang von Goethe, dessen Elternhaus ganz in der Nähe der gegenwärtigen Wirkungsstätte unserer Puppenbühne, am Hirschgraben, in liebevoller Nachbildung aller Fachwerk-Details wieder aufgebaut wird, auf dem Wege des Puppenspiels in seiner Jugendzeit zum Stoff der größten deutschen Bühnendichtung gekommen ist. Hätte es dazumal als Frau Aja mit ihrem Sohn das Haus am Hirschgraben, dessen verwirrende Holzkonstruktion man, vorbeispazierend, jetzt studieren kann, mit ihrem Dasein erfüllten, schon eine Augsburger Puppenkiste am »Römer« gegeben, die Goethes hätten bestimmt zu ihren Zuschauern gezählt. Sie hätten sich so wenig eine Aufführung entgehen lassen, wie es die Frankfurter Bürger von heute tun, die, so anspruchsvoll sie sonst sind, zustimmend feststellen: Das ist Sache, das kann sich sehen lassen! Und nicht nur die Frankfurter Bürger sind des Lobes, des Schmunzelns und der Zufriedenheit mit der Augsburger Puppenkiste voll, sondern auch die Presse stimmt freudig in den Beifall mit ein. Uns liegen ein halbes Dutzend Blätter vor, die sich in Anerkennungen unserer Augsburger Marionettenbühne und ihres Meisters Oehmichen überbieten und nette Bilder von den Auffühgrungen zeigen. Da lesen wir Sätze wie: »Es fordert viel Liebe und Hingabe zur Sache, den Standard zu bieten, den die Vorstellungen dieses Theaters aufweisen« oder »Es ist das erste Gastspiel dieses auf hohem Niveau stehenden Unternehmens … « oder »Wie im richtigen Theater. Ein größeres Lob lässt sich nicht vegeben … «
Welcher Augsburger würde so etwas nicht gerne von einer Augsburger Schöpfung, wie es die Marionettenbühne Oehmichens ist, hören! Einen ganzen Monat spielt unsere Marionettenbühne in Frankfurt und zwar im Rahmen einer sehenswerten Ausstellung »Heimat im Haus«, bei deren Eröffnung u.a. der Sohn des großen Polarforschers und Menschenfreundes Frithjof Nansen zugegen war und die ein internationales Publikum von Amerikanern, Engländern, Schweizern, Norwegern, Franzosen, Italienern und sogar Chinesen hat. Sollte da, wenn unser Marionettentheater, ruhmbedeckt, aus Deutschlands provisorischer Hauptstadt wieder heimkehrt, nicht manchem Augsburger das Herz ein wenig vorwurfsvoll puppern, wenn er seine Marionettenbühne noch nicht gesehen hat? (Ho)
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